Was passiert da?
Mit dem Japan-EU Abkommen – kurz JEFTA genannt – wird das größte bilaterale Handelsabkommen in der Geschichte der EU abgeschlossen. Dieses soll 30 Prozent des Welt-Bruttoinlandsprodukts und 40 Prozent des globalen Handels umfassen. Kernelemente sind der Abbau von Handelshemmnissen zwischen den beiden Vertragspartnern und das Angleichen von Vorschriften. Die Verhandlungen begannen im Jahr 2013 und wurden 2018 abgeschlossen.
Klaus Buchners Standpunkt zu dem Abkommen:
Der Abbau von Zöllen und die Vereinfachung des internationalen Handels ist eine wichtige und positive Entwicklung. Dieser Prozess darf jedoch nicht auf Kosten von Umwelt, Mensch und Demokratie geschehen. Als Schattenberichterstatter meiner Fraktion im Europäischen Parlament setze ich mich für einen Fairen Handel ein, der allen Bürgerinnen und Bürgern der EU und unserer gemeinsamen Umwelt zu Gute kommt. Der jetzige - von der Kommission und den Mitgliedsländern vollzogene - neoliberale Ansatz, wachsenden Profit auf Kosten von allem anderen zu erzielen, ist falsch.
Warum JEFTA in seiner jetzigen Form unakzeptable ist
Traditionelle Handelsabkommen befassten sich in erster Linie mit dem gegenseitigen Abbau von Zöllen und Tarifen und sorgten so für erhöhten Handel und Wohlstand. Die neue Generation von Handelsverträgen die wir seit TTIP, TISA, CETA und auch wieder bei JEFTA sehen, kann man nicht mehr als reines Handelsabkommen bezeichnen.
JEFTA bezieht sich auf alle Unternehmen im Bereich von Dienstleistungen, Investitionen und Elektronischem Handel, insbesondere auf solche in öffentlicher Hand (staatlich, städtisch, gemeindlich usw.) (Art. 8.1 und Art. 8.12.1 JEFTA). All diese Bereiche sollen „liberalisiert“ werden, außer denen, die in JEFTA explizit in einer Liste aufgeführt werden (sog. negative Liste, Art. 8.12.1 JEFTA). Dabei heißt „liberalisieren“, dass die gesetzlichen Regeln dafür gelockert werden (mit dem Ziel „unnötige“ Gesetze abzuschaffen, d.h. Gesetze, die der Wirtschaft nicht passen und die nicht eine Begründung durch tatsächlich aufgetretene, eindeutig zuordenbare und ernsthafte Schäden haben: siehe Art. 8.1.2 JEFTA zur erlaubten Gesetzgebung) bzw. dass Betriebe, die in öffentlicher Hand sind, privatisiert werden (können). Einmal privatisierte Betriebe können von der öffentlichen Hand nicht mehr zurückgekauft werden. Letzteres steht in Art. 8.12.1 (c) JEFTA und wird als „Stand-Still“ bzw. „Ratchet-Clause“ bezeichnet.
Die oft formulierte Behauptung, dass wegen der negativen Liste auch künftige Bereiche liberalisiert werden, an die man jetzt noch nicht denken kann, stimmt nicht, denn alles, was nicht in der „United Nations Provisional Central Product Classification“ (CPC) erfasst ist, wird von der Liberalisierung ausdrücklich ausgenommen (Anhang 8-B-2 Vorbehalt 23 (c) JEFTA) Dabei spielt eine Rolle, dass in Japan das Vorsorgeprinzip nicht gilt, das im deutschen Grundgesetz eine zentrale Rolle spielt. Das Vorsorgeprinzip wird nach dem oben über „unnötige“ Gesetze Gesagten deutlich eingeschränkt.
Finanzmarktregulierung wird zurückgeschraubt
Dies alles betrifft insbesondere das Finanzwesen (siehe Anhang 8-A JEFTA; zur erlaubten Gesetzgebung dort die Ziff. 2 und 11, wobei das oben zu „unnötigen“ Gesetzen Gesagte beachtet werden muss). Als explizit genanntes Beispiel (in Art. 8.59 (a ii J) JEFTA) dienen hier die „asset backed securities“, ein „Finanzinstrument“, das wesentlich zur Bankenkrise 2008/09 beigetragen hat. Man kann also sagen, dass JEFTA eine neue Bankenkrise wahrscheinlicher macht.
Gefährdung des deutschen Atomausstiegs
Ein weiteres Beispiel ist die Atomenergie. Der deutsche Atomausstieg findet in diesem Abkommen keine Berücksichtigung. Lediglich Produktion, Verarbeitung und Transport von Nuklearmaterial sind in Deutschland von der Liberalisierung ausgenommen (Anhang 8-B-2 Vorbehalt 22 (d) JEFTA)
Umweltschutz spielt keine Rolle
Der in Japan immer noch praktizierte Walfang (getarnt als wissenschaftliches Projekt) und der Handel mit seltenen Hölzern werden nicht eingeschränkt. Letzteres spielt vor allem in Rumänien eine Rolle, wo japanische Firmen geschützte Wälder abholzen. (Dies alles müsste in Anhang 8-B als Ausnahme in der Vorschrift zur Liberalisierung aufgeführt werden, wird es aber nicht.) Die Freiheit Gesetze zu erlassen, wird besonders beim Umweltschutz und im sozialen Bereich deutlich eingeschränkt.
Aushebelung der Datenschutz-Grundverordnung
Der Datenschutz im Finanzwesen wird nicht erwähnt. Er soll wegen einer „Review Clause“ später diskutiert werden. Bis dahin ist der Datenverkehr im Bankwesen von der EU nach Japan ungehindert. Die Daten werden in Japan nach den dortigen Gesetzen behandelt, d.h. ohne etwas wie die Datenschutz-Grundverordnung.
Schiedsgerichte durch die Hintertür
Schiedsgerichte wurden in JEFTA nicht vereinbart. Dazu soll bald ein eigenes Abkommen mit Japan geschlossen werden. Der Grund dafür ist einerseits die Tatsache, dass Abkommen mit Schiedsgerichten von allen EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert werden müssen. Das will die EU-Kommission vermeiden, weil das lange dauert und die „Gefahr“ besteht, dass wie bei CETA einige Staaten Schwierigkeiten machen. Der zweite Grund ist, dass die EU-Kommission nicht zuletzt wegen der Massenproteste eine andere Art von Schiedsgerichten (MIC) einführen will, die von Japan nicht akzeptiert wird.
Die Befürworter von JEFTA sehen stattdessen das mögliche Wirtschaftswachstum im Vordergrund. Tatsächlich würde aber selbst nach Angaben der Bertelsmann-Stiftung, der vorgeworfen wird ihre Studien zu Gunsten der Freihandelsabkommen zu verfärben, lediglich ein jährlicher BIP-Zuwachs von rund 0,1 Prozent erwartet. Wenn man nun die zahlreichen Probleme, die JEFTA in seiner heutigen Form aufweist, mit seinem prognostizierten Erfolg vergleicht, so muss man feststellen, dass der wirtschaftliche Vorteil die vielfältigen sozialen, rechtlichen und umwelt-betreffenden Nachteile nicht aufzuwiegen vermag.
Das gesamte Abkommen ist unter folgendem Link nachzulesen: JEFTA-Abkommen
Alle Dokumente bezüglich des Abkommens sind hier zu finden.