In der Islamischen Republik Iran leben gegenwärtig etwa 75 Millionen Menschen, davon sind 55 Prozent unter 30 Jahre alt. In seiner jüngsten wechselvollen Geschichte wandelte sich der Iran von einer relativ modernen Gesellschaft zu einem restriktiven Gottesstaat.
Geschichte
Der 1941 an die Macht gekommene Schah Mohammed Reza erlässt 1962 für Frauen das aktive und passive Wahlrecht; im Jahr 1967 wird ein modernes Familienschutzgesetz etabliert, das Frauen bei Scheidungen besser stellt. Auch setzt Reza auf eine Trennung von Staat und Kirche, durch die er allerdings die muslimische Mehrheit im Land gegen sich aufbringt. Aber der Schah agiert nicht in jeder Hinsicht modern: 1975 zwingt er alle verbliebenen Parteien zur Auflösung, der Geheimdienst agiert brutal gegen Oppositionelle und exorbitante Militärausgaben treiben die Preise in die Inflation und somit viele Bürger in die Armut. 1979 werden die Proteste von Seiten der Zivilgesellschaft so stark, dass der Schah abdankt und der bisher im Exil lebende Ajatollah Chomeini die Geschicke des Landes führt. In einer Volksabstimmung spricht sich im selben Jahr die Mehrheit der Bevölkerung gegen die Monarchie und für die Islamische Republik aus. Bis zum Jahr 1982 folgt die komplette Islamisierung des Justizwesens, der Schulen und Hochschulen. Frauen müssen der islamischen Kleiderordnung folgen und es gilt im öffentlichen Bereich eine strikte Geschlechtertrennung.
1995 verhängen die USA Sanktionen gegen den Iran, die als Druckmittel gegen das iranische Atomprogramm wirken sollen. Zwischen 1997 und 2005 ist der als Reformer angetretene Mohammed Chatami iranischer Präsident. Allerdings gerät die Reformbewegung immer wieder ins Stocken. Im Jahr 2005 wird der konservative Hardliner Mahmoud Ahmadinedschad gewählt. Kurz nach seiner Wiederwahl 2009, die von Manipulationsvorwürfen begleitet war, kommt es in größeren Städten und der Hauptstadt Teheran zu Protesten. Die Sicherheitskräfte gehen brutal dazwischen und verhaften schätzungsweise 5.000 Menschen, von denen einige gefoltert werden und auch sterben. 2013 wird der moderate Kleriker Hassan Ruhani zum Präsidenten gewählt. Ruhani verspricht der Bevölkerung, dass er das Land liberalisieren würde. Dieses Versprechen hat er bisher nicht einhalten können - noch immer werden Menschenrechte nicht geachtet und demokratischere Strukturen verhindert.
Unter Ruhanis Einfluss gelingt es jedoch, dass die UN und die EU die Wirtschafts- und Finanzsanktionen aufheben und es zur sog. Wiener Nuklearvereinbarung kommt. Diese auch als „Atomdeal“ bezeichnete Vereinbarung beinhaltet: Mehr als zwei Drittel der Zentrifugen müssen abgebaut werden, das angereicherte Uran wird außer Landes gebracht und der Kern des Plutoniumreaktors in Arak zerstört. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen aufgehoben.
Politisches System
Die komplexen politischen Strukturen im Iran gelten in der Politikwissenschaft als einmalig und mit keinem anderen Staat vergleichbar. Höchste politische Instanz ist der „Oberste Führer der Islamischen Revolution“, Ayatollah Ali Chamenei, der über eine verfassungsgemäß verankerte Richtlinienkompetenz verfügt. Er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte, hat das letzte Wort in politischen Grundsatzfragen und wird von der Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbestimmte Zeit gewählt. Regierungschef ist Ruhani, der das Kabinett bildet und auf vier Jahre gewählt ist. Das Parlament hat 290 Sitze, davon entfallen 17 auf weibliche Abgeordnete. Parlament und Regierung haben gesetzgebendes Initiativrecht, kontrolliert wird das Ganze vom „Wächterrat“, der auch über weitreichende Befugnisse der Verfassungsauslegung und bei der Vorauswahl der politischen Kandidaten verfügt. Zudem gibt es einen „Schlichterrat“, der im Gesetzgebungsverfahren als vermittelndes Gremium fungiert und darüber wachen soll, die „Gesamtinteressen des Systems“ zu wahren.
Menschrechte
Im Iran herrscht teilweise ein mittelalterlich anmutendes Rechtsverständnis. So werden Strafen wie Finger abhacken, Augenlicht blenden oder Tod durch Steinigung festgesetzt. Es werden minderjährige Gefangene hingerichtet. Meistens sind Gerichtsverfahren unfair und Anklagen vage formuliert, insbesondere bei politischen Verfahren. Amnesty International berichtet über Folter und Misshandlungen in Gefängnissen und die Verweigerung ärztlicher Hilfe. Im Iran existieren weder Presse-, noch Religionsfreiheit, ethnische Minderheiten genießen keinen Schutz. Insbesondere Frauen und Mädchen leiden unter dem restriktiven Regime: Sie sind kaum gegen sexuelle Gewalt und andere gewaltsame Übergriffe wie Früh- oder Zwangsverheiratungen geschützt. Häusliche Gewalt wird als Familienangelegenheit eingestuft, so dass Frauen kaum Möglichkeiten haben, sich aus gewaltsamen Beziehungen zu lösen. Vor Gericht gelten Aussagen von Frauen nur halb so viel wie die von Männern, das Mindestheiratsalter für Mädchen liegt bei 13 Jahren.
Meine Arbeit im Parlament
Als Europaabgeordneter bin ich Mitglied im Unterausschuss für Menschenrechte und Mitglied in der Delegation für die Beziehungen zum Iran. Im vergangenen Jahr konnte ich in Teheran mit dem iranischen Außenminister und einer der stellvertretenden Staatspräsidentinnen sprechen. Auch bin ich mit dem iranischen Botschafter in Berlin in Kontakt. In den Gesprächen war es mir möglich, auf die katastrophale Menschenrechtslage hinzuweisen und zu sagen, dass die Europäische Union das nicht toleriert. Um über die Inhaftierung europäischer Bürger in iranischen Gefängnissen aufmerksam zu machen, habe ich im Mai 2016 eine Tagung im Parlament abgehalten. Zwar sind es nur kleine Schritte, mit denen wir vorwärts kommen, aber ich gebe nicht auf, weiter über die Situation der Bürgerinnen und Bürger im Iran aufzuklären. Insbesondere die Vernetzung mit Menschenrechtsorganisationen liegt mir am Herzen. Wenn die Aufhebung der Sanktionen jetzt zu mehr Handel und Investitionen führt, muss ganz klar gelten: Menschenrechte vor Profit!