Die politische Lage der Türkei ist bekannt. Meinungsfreiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind nicht erst seit dem Putschversuch im Jahr 2016 ein Wunschdenken für viele Türken und Türkinnen. Erdogan baut das Staatswesen in ein Präsidialsystem um, in dem die Macht einzig und allein vom Präsidenten ausgeht. Kontrollinstanzen gibt es nicht mehr. Die Kompetenzen des Parlaments werden radikal beschnitten. Die Ablehnung des vom Präsidenten eingebrachten Haushaltsplanes kann vom Parlament nur durch eine Selbstauflösung und die Ausrufung von Neuwahlen abgelehnt werden. Zudem kann der Präsident durch die neue Verfassung direkt und indirekt, sofern er die Parlamentsmehrheit kontrolliert, auch den „Rat der Richter Staatsanwälte“ besetzen. Dieser Rat besetzt alle wichtigen Positionen des Justizapparates. Somit hat der Präsident automatisch die Kontrolle über die Zusammensetzung des Verfassungsgerichtes: Gewaltenteilung - Fehlanzeige!
Worauf ich allerdings aufmerksam machen möchte, ist die katastrophale Menschenrechtslage in der Türkei. Neben der Verhaftung von Journalisten, Richtern oder Lehrern sowie Universitätsprofessoren wurden im Osten der Türkei kurdische Städte regelrecht ausgelöscht. Mit schweren Bombardements gegen die kurdische Bevölkerung werden ganze Städte vernichtet. Während meines Aufenthaltes in der östlichen Türkei berichtete mir ein Vater, dass seine Tochter von dem türkischen Militär erschossen worden ist, weil sie Fotos von den zerbombten Überresten der Stadt machte. Hier wird die Weitergabe von Informationen mit aller Gewalt unterdrückt!
Unter diesen Umständen kann nicht über einen Beitritt zur EU verhandelt werden. Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der EU und der Türkei müssen dringend überprüft werden. Es darf nicht sein, dass wir die Verletzung von Menschenrechten einer autokratischen Herrschaft mit wirtschaftlichen, finanziellen oder politischen Aktivitäten unterstützen. Natürlich darf der Gesprächsfaden dabei nicht abbrechen, allerdings muss Erdogan auch deutlich signalisiert werden, dass die EU zu ihren Prinzipien steht und diese verteidigt.
Meine Rede im Plenum zur Situation der Kurden in der Osttürkei:
http://www.europarl.europa.eu/plenary/EN/vod.html?mode=unit&vodLanguage=EN&startTime=20161026-21:19:45-899#
Zur Situation in Syrien und die Zweifelhaftigkeit der Zahlung von Geldern an die Türkei, um Flüchtlinge abzuhalten, anstatt diese Gelder in die syrischen Lager zu geben, damit die Menschen gar keinen Grund mehr haben, ihr Land zu verlassen:
http://www.europarl.europa.eu/plenary/EN/vod.html?mode=unit&vodLanguage=EN&startTime=20161026-21:19:45-899#
Gemeinsamer Erschließungsantrag zur vorübergehenden Aussetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei zur EU: http://www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-%2f%2fEP%2f%2fNONSGML%2bMOTION%2bP8-RC-2016-1276%2b0%2bDOC%2bPDF%2bV0%2f%2fEN
Pressemitteilungen und Stellungnahmen zur Türkei:
http://klaus-buchner.eu/category/tuerkei/