EU-Abgeordneter Prof. Dr. Klaus Buchner, ÖDP
Die in letzter Zeit stattgefundenen Bauernproteste müssen sehr differenziert betrachtet werden. Der Großteil demonstriert für ein mehr oder weniger weiter so wie bisher, und lehnt selbst die vorgesehenen geringen Maßnahmen ab. Ökologisch wirtschaftende, vorwiegend kleinere und mittlere Betriebe oder solche, die auf ökologische Agrarwirtschaft umstellen wollen, demonstrierten anlässlich der Grünen Woche in Berlin für mehr Unterstützung, bessere Rahmenbedingungen und entsprechende Förderung.
Den Landwirten in Europa stehen knapp 60 Milliarden € Subventionen pro Jahr zur Verfügung. Die Auszahlung der Gelder richten sich dabei zu 80% nach der Größe der bewirtschafteten Fläche nach dem Gießkannenprinzip. Das Förderprinzip lautet: Je mehr Fläche, desto mehr Subventionen. Hohe Anforderungen in den Bereichen Natur-, Umwelt- und Tierschutz werden dabei nicht gestellt. Nachhaltige Landwirtschaft und gute Tierhaltung spielen hier kaum eine Rolle. Diese politische Entscheidung ist schlichtweg eine Katastrophe. Die industrielle Agrarlobby hat weiterhin die Oberhand und hat sich durchgesetzt; die bäuerliche Landwirtschaft wird immer mehr verdrängt.
Die Ernsthaftigkeit der Lage wird von den regierenden Politikern nicht annähernd objektiv – der Faktenlage entsprechend – analysiert und die dringend notwendigen gesetzlichen Maßnahmen in Angriff genommen und der Bürger ehrlich aufgeklärt.
Es wird lediglich der Eindruck geweckt, es würde ja etwas unternommen, man sei auf dem Weg. Das sind Lippenbekenntnisse! Die Bevölkerung wird hier definitiv hinters Licht geführt. Die bisher tatsächlich erlassenen, marginalen politischen Rahmenbedingungen tragen nicht annähernd zur Problemlösung bei.
Auch im Großteil der Medien wird die Problematik Agrarpolitik nicht ausreichend verständlich und von Fakten hinterlegt kommuniziert. Der „normale Bürger“ kann so die Problematik gar nicht nachvollziehen.
Unter diesen Bedingungen schreiten die Umweltkatastrophen weiter voran und werden unwiederbringlichen Schaden anrichten:
1. Weiterer Anstieg der Klimagasemissionen durch den Agrarbereich, welcher bereits jetzt einen Anteil von über 30% aller Emissionen ausmacht (Weltagrarbericht).
2. Weitere Zerstörung der Böden durch Überdüngung/Gülle mit Vergiftung von Grund-/Bodenwasser. Deutschland liegt hier seit Jahren über den EU-Richtwerten und wird erhebliche Strafzahlungen leisten müssen.
3. Weiteres massives Artensterben der für das Ökosystem lebensnotwendigen Organismen (Wildbienen, andere Insekten, Würmer, etc.) durch Totalherbizide.
4. Weiterhin tierquälerische Massentierhaltung mit exzessivem Antibiotikaeinsatz und der Züchtung von antibiotika-resistenten Keimen in den Lebensmitteln (nicht nur in tierischen Produkten sondern auch in vegetarischen!). Weitere Zunahme der Antibiotikaresistenzen und damit weiter zunehmende Unwirksamkeit lebensnotwendiger Antibiotika.
Was muss jetzt unbedingt sehr zügig geschehen und auch gesetzgeberisch umgesetzt werden:
1. Subventionen nur für bäuerliche Betriebe, welche tier-und umweltgerecht wirtschaften, bzw. umstellen auf ökologische Landwirtschaft.
2. Auflagen für deutlich höhere Mindeststandards, welche auch kontrolliert werden und bei Missachtung auch geahndet werden müssen.
3. Stopp der Subventionen bezogen auf Flächenstärke nach dem Gießkannenprinzip. Hier erfolgen die Zahlungen vorwiegend an Großbetriebe ohne besonders hohe Anforderungen.
4. Schluss mit dem weiter so wie bisher. Schluss mit nicht wirksamen Pseudoversprechen. Dringend notwendige nachhaltige gesetzgeberische Maßnahmen sind erforderlich und müssen auch ehrlich den Bürgern kommuniziert werden, damit die Notwendigkeit der Maßnahmen verstanden wird. Dazu gehört auch das Eingeständnis für verfehlte Politik in der Vergangenheit, welche ausschließlich der Profitmaximierung galt und Mensch, Tier und Umwelt außen vor ließ.
Ich bin definitiv dafür, dass die Verhandlungen zur „Gemeinsamen Agrarpolitik in der Europäischen Union“ (GAP) nochmals aufgemacht und unter diesen Kriterien neu verhandelt werden.