Lieber Leserinnen, liebe Leser!
Als ich vor gut sechs Jahren das erste Mal als Abgeordneter in das Europäische Parlament gewählt wurde, war das ein Meilenstein in der Geschichte der ÖDP. Wir haben als Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht maßgeblich dazu beigetragen, dass die undemokratische Fünf-, und später auch die Drei-Prozent-Hürde, bei Europawahlen abgeschafft worden ist. Als EU-Abgeordneter konnte ich wesentliche Themen der ÖDP auf europäischer Ebene einbringen, und ich bin stolz darauf, dass wir seit gut sechs Jahren nicht nur in Bayern und Deutschland, sondern auch auf EU-Ebene der Reißnagel sind, der die Mächtigen oft genug dazu bringt, sich zu bewegen.
Um all die Themenfelder aufzuzählen, an denen ich in den vergangenen sechs Jahren gearbeitet habe, ist hier kein Platz, aber ich möchte doch kurz das Thema Menschenrechte aufgreifen, das mir immer ein besonderes Anliegen war. So konnte ich mich bei Reisen in den Iran, die Türkei und die West-Sahara für die Anliegen der Opposition bzw. der ethnischen Minderheiten einsetzen. In der Türkei sind die Kurden Opfer von unvorstellbaren Grausamkeiten seitens der Regierung. In der West-Sahara habe ich auf die Vertreibung der Sahraouis durch die marokkanische Besatzungsmacht aufmerksam gemacht. Leider wird über die Ausbeutung der West-Sahara durch Marokko kaum berichtet, und leider schaffen es die Vereinten Nationen nicht, das Selbstbestimmungsrecht der Völker durchzusetzen. Die Sahraouis waren für meine Unterstützung im EU-Parlament, bei Prozessen vor dem Europäischen Gerichtshof und in Gesprächen mit dem Ministerpräsidenten und einigen seiner Minister dankbar. Im Iran konnte ich erreichen, dass sich trotz des illegalen Embargos durch Trump eine Gruppe von Banken bereit erklärt hat, kleinere Geldgeschäfte mit dem Iran abzuwickeln, um z.B. Medikamente einzukaufen. Außerdem habe ich mich in vielen konkreten Fällen für Verurteilte eingesetzt.
Dass auch die Wählerinnen und Wähler in Deutschland meine Arbeit der vergangenen Jahre honoriert haben, zeigt die Verdopplung unserer Stimmenzahl bei der Europawahl vergangenes Jahr. Nach sechs sehr intensiven, aber auch kräftezehrenden Jahren als Abgeordneter habe ich mich nun dazu entschlossen, mein Mandat zum 15. Juli abzugeben. Diese Entscheidung fällt mir umso leichter, da meine Nachfolgerin Manuela Ripa sein wird, die ich nicht nur persönlich sehr schätze, sondern deren Sachverstand dazu beitragen wird, dass die Stimme der ÖDP auf europäische Ebene auch zukünftig gehört werden wird. Als Kandidatin für die Europawahl und als Initiatorin der europäischen Bürgerinitiative (EBI) „Rettet die Bienen“ hat Manuela bereits auf sich aufmerksam gemacht. Aufgrund ihrer langjährigen beruflichen Erfahrung in Brüssel im Europäischen Parlament und in der Landesvertretung des Saarlandes bei der EU wird sie keine Probleme haben, sich in den anstrengenden und manchmal auch sehr anspruchsvollen Parlamentsbetrieb einzuarbeiten. Auf Wunsch werde ich ihr natürlich – insbesondere in der Anfangszeit – mit Rat und Tat zur Seite stehen.
Manuela Ripa nimmt schon seit längerem an unseren internen Besprechungen teil. Dabei haben wir schon einen ersten kleinen Erfolg außerhalb der Arbeit in den Ausschüssen errungen. Denn neben allen berechtigten Bemühungen zur Eindämmung des neuartigen Corona-Virus müssen wir jedoch auch darauf achten, solche Pandemien künftig von vornherein zu unterbinden. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass so lange Druck auf die Regierungen in Asien ausgeübt wird, bis alle Wildtiermärkte geschlossen sind und der Handel mit Wildtier-, Hunde- und Katzenfleisch verboten ist. Dies wäre ein erster, aber wichtiger Schritt für die Prävention zukünftiger Pandemien, soweit sie ihren Ursprung auf solchen Märkten („Wet Markets“) haben, auf denen die verschiedensten Tierarten unter Missachtung jeglicher Hygienestandards brutal geschlachtet werden. Aus Indonesien haben wir bereits positive Signale auf unsere Aktion erhalten.
Leider musste ich wegen der Pandemie alle geplanten Veranstaltungen in Deutschland absagen. In den vergangenen Jahren habe ich zahlreiche Vorträge in allen Ecken Deutschlands und auch im Ausland gehalten, um zu verschiedenen Themen, an denen ich arbeite, zu referieren. Ein großes Anliegen ist mir insbesondere der Kampf gegen die neue Mobilfunktechnologie 5G, die für viele Menschen erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen mit sich bringt, und außerdem auch aus Gründen des Datenschutzes hochproblematisch ist. Als Alternative bietet sich Lichttechnik (auch LiFi oder VCL genannt) an.
Zusammen mit einer französischen Kollegin habe ich einen Bericht zur Mobilfunktechnik erstellen lassen, der einen großen Skandal aufdeckt: Die Ungefährlichkeit dieser Strahlung wird von einer Gruppe von „Wissenschaftlern“ behauptet, die der Mobilfunkindustrie sehr nahesteht. Bisher wurde diese Gruppe als ein Komitee von unabhängigen Wissenschaftlern betrachtet. Ihre weit erhöhten Grenzwertvorschläge gingen in die Gesetze der meisten westlichen Länder ein. Die große Mehrheit der Wissenschaft weist dagegen erhebliche Gesundheitsschäden durch die jetzige Funkstrahlung nach.
Ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit war die sog. „Dual-Use-Verordnung“. Die EU ist jetzt endlich bereit, die Ausfuhr von Überwachungstechnik an Diktaturen und autokratische Regierungen zu beschränken. In Europa werden mit solchen Produkten jedes Jahr insgesamt immerhin rund 80 Milliarden Euro umgesetzt. Entsprechend groß war das Interesse der Fraktionen von der Mitte bis Rechts, bei der Verletzung von Menschenrechten ein Auge zuzudrücken. Trotzdem wurde bei der Schlussabstimmung in der Vollversammlung meine „wasserdichte“ Formulierung des Gesetzes mit 92 Prozent der Stimmen angenommen. Jetzt muss aber noch der Ministerrat zustimmen. Finnland und Schweden haben das Verfahren eineinhalb Jahre verzögert. Nun wollen Frankreich und zum Teil auch Deutschland den Text so weit verwässern, dass er praktisch keine Ausfuhr-Beschränkung mehr bewirkt. Dagegen werde ich auch nach meinem Rücktritt zusammen mit Manuela Ripa weiterkämpfen. Es ist sehr gut, dass sie als Juristin hier in den Ring steigt.
In der Fraktion bin ich auch für die Forschungs- und Entwicklungspolitik zuständig, für die in den nächsten Jahren viele Milliarden Euro ausgegeben werden. Das sind z.B. der Abbau und die Verarbeitung von Schlüsselmaterialien wie Lithium in Europa, die Förderung von Innovationen bei der Energiewende, der Wasserhaushalt und sehr viele andere Themen.
Einer der größten Erfolge der ÖDP in den vergangenen Jahren war das von uns initiierte Volksbegehren „Rettet die Bienen“, das als erfolgreichstes Volksbegehren in die Geschichte Bayerns eingegangen ist. Inwieweit dieses Volksbegehren als Blaupause für die EU-Biodiversitätsstrategie dienen kann, dazu konnte ich mich Mitte Mai mit dem zuständigen EU-Umweltkommissar Virginijus Sinkevičius in einer Videokonferenz austauschen. An dem Treffen nahmen auch der Hauptautor des bayerischen Volksbegehrens, Tobia Ruff, sowie Manuela Ripa als Initiatorin der EBI „Rettet die Bienen“ teil. Ziel des Gesprächs war es, die Erfahrungen und Lehren aus dem Volksbegehren zu erörtern und den Erfolg von „Rettet die Bienen“ in Bayern auf die europäische Ebene zu übertragen. Denn das massive Artensterben ist ein weltweites Problem, dem sich auch die EU stellen muss. Vor allem bei der EU-Agrarförderung im Rahmen der gemeinsamen europäischen Agrarpolitik muss der Erhalt der Artenvielfalt endlich Priorität erhalten. Weltweit sind bis zu einer Million Arten vom Aussterben bedroht. Europa muss wegweisend dagegen ankämpfen.
In diesem Zusammenhang steht auch meine Aktion gegen die industrielle Landwirtschaft, die den Lebensraum von vielen Tier- und Pflanzenarten vernichtet, zum Hunger in der Welt beiträgt und uns außerdem immer mehr mit antibiotika-resistenten Keimen bedroht. Wir fordern ein verpflichtendes Fleischsiegel mit bildlicher Darstellung der Haltungsbedingungen und Angaben über den Einsatz von Chemie. Manuela Ripa hat bereits angekündigt, dass der Einsatz für eine bäuerliche, ökologische Landwirtschaft einer der Schwerpunkte ihrer Arbeit im Europäischen Parlament sein wird. Deshalb wird sie meine Kampagne für ein verpflichtendes Fleischsiegel weiterführen.
Ich möchte mich an dieser Stelle ganz besonders bei meiner Frau bedanken, ohne deren Unterstützung ich mein Mandat nicht bekommen hätte. Eine große Freude war es, mit meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Brüssel, Berlin, München und Saarbrücken zusammenzuarbeiten. Ohne sie und ihre professionelle Zuarbeit wären meine Erfolge nicht möglich gewesen. Einige der Kolleginnen und Kollegen werden beruflich neue Wege gehen, andere werden in Zukunft mit Manuela Ripa zusammenarbeiten. Ich wünsche ihnen beruflich und persönlich alles nur erdenklich Gute.
Mir bleibt jetzt nur noch, Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, alles Gute zu wünschen, und mich für Ihre Unterstützung in den vergangenen Jahren zu bedanken. Ich bin sicher, wir werden voneinander hören.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Klaus Buchner